Weil in Grevenmacher Straßennamen und -schilder bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht selbstverständlich waren, ist es interessant zu berichten, wie es überhaupt zu diesen Straßen- und wohl auch Gassennamen kam. Auf dem „Plan der ehemaligen Festung Grevenmacher“ den Philippe Knaff 1867 seinem Werk „Geschichtliche Abhandlung über die Stadt und ehemalige Festung und Landrichterei Grevenmacher“ beifügt, sind recht wenige Straßennamen vermerkt; auch auf dem sog. Urkatasterplan von 1824 fehlen manche Namen.
Am 13. Januar 1923 leitet Jos Faber seinen Beitrag „Die Straßentaufe zu Grevenmacher“ in der Obermosel-Zeitung mit folgendem Statement ein: „Wir stehen vor einer sicherlich seltenen Tatsache. Eine Stadt des Großherzogtums, die nun beinahe siebenhundert Jahre ihren Freiheitsbrief besitzt, hat fast ausschließlich anonyme Straßen.”
Am Schluss des Artikels weist Faber darauf hin, dass der damalige städtische Verschönerungsverein – der 1891 gegründete Vorgängerverein des heutigen „Syndicat d’Initiative et de Tourisme“ – sich dieser Angelegenheit angenommen hat.
Einfach scheint das Unterfangen nicht gewesen zu sein, denn im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 5. Februar 1924 heißt es: „Der Gemeinderat, Nach Einsicht eines Antrages des Verschönerungsvereines betreffend Anbringen von Straßenschildern und Hausnummern im Innern der Ortschaft; Erwägend, dass der Gemeinderat die Nützlichkeit der vorgeschlagenen Maßnahme, wenigstens insoweit dieselbe sich auf die Hauptstraßen der Ortschaft bezieht, nicht verkennt, die Kosten indessen, die auf 6.000 Franken veranschlagt sind, zu hoch erscheinen, Beschließt einstimmig den Antrag bis zum nächsten Jahr zurückzustellen.“
Der Verschönerungsverein wird wohl nicht müde geworden sein, das Anliegen immer wieder vorzubringen; darüber liegen uns leider keine Berichte vor. Es dauert dann bis zur Sitzung des Schöffenrates vom 6. März 1928, in der nur Bürgermeister Dr. (Antoine) Wagner und Schöffe (Victor) Prost anwesend waren: „4. Der Antrag des Verschönerungsvereins auf Beschaffung von Straßenschildern wird mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Ausdehnung der Ortschaft keine derartige ist, dass Straßenschilder notwendig sein sollten.“
Nur ein Jahr später ist Victor Prost Bürgermeister von Grevenmacher, und in der Gemeinderatssitzung vom 8. Oktober 1929 wird beschlossen: „Der Gemeinderat, Erwägend, dass es im Interesse des Verkehrs angezeigt erscheint, wie dies anderwärts üblich ist, die Straßen der Stadt durch Anbringen von Straßenschildern kennbar zu machen. Erwägend, dass die Anschaffungskosten der Straßenschilder in der benötigten Anzahl sowie das Befestigen derselben eine Ausgabe von etwa 3.500 Franken bedingen. Beschließt mit allen Stimmen, gegen jene des H. Lethal, einen Spezialkredit im Betrag von 3.500 Franken zu dem genannten Zweck zu bewilligen.“
Und so bekamen denn die Straßen und Gassen der Moselmetropole auf Bestreben des Verschönerungsvereines hin Ende der 1920er Jahre Namen und Schilder. Wohl meist jene Namen, die manche von ihnen heute noch tragen. Bis Bürger, die Grevenmacher zum Wohl gereichten, „ihre eigene Straße“ erhielten, sollte es jedoch noch geraume Zeit dauern…
Mittlerweile haben neun Grevenmacher Bürger, die zu Lebzeiten nicht nur in unserem Moselstädtchen besondere Dienste geleistet haben, sondern die auch dazu beitrugen, dass der Name „Grevenmacher“ landesweit und sogar über die Grenzen hinaus einen guten Klang hatte, „ihre“ Straße.
Bei den neun Grevenmacher Persönlichkeiten, die in ihrer Heimatortschaft verewigt sind; handelt es sich um Peter von Osburg (nach 1939) und Frantz Seimetz (seit 1956/57), Mathias Schou, alias „De Blannen Theis“, Victor Prost und Victor Braun (seit 1991) sowie Adolf Berens, Paul Faber, Jos. Hurt und Jean-Pierre Urwald (seit 1995).
Drei Straßen, tragen Frauennamen: die „rue Ste.-Catherine und die „rue Anne Frank“ – beide hatten allerdings nichts mit Grevenmacher zu tun – sowie, seit einigen Monaten, die „rue des Franciscaines“. Die Franziskanerinnen der Barmherzigkeit sind bekanntlich seit 1869 in Grevenmacher ansässig. Ihnen unterstanden zeitweilig ein Waisenhaus, eine Privatschule, eine Haushaltungsschule, ein Spital und ein Altersheim. Auch das heutige HPPA im Bereich des Baxeras-Gartens untersteht der Kongregation. Es ist deshalb nicht von ungefähr, dass die neue Straße sich genau dort befindet, wo die Ordensschwestern segensreich wirkten, nämlich im Herzen der Moselmetropole.
Monique Hermes
Quellen: Gemeindebulletin 1/2018 – Update: 30.05.2022